Letzter Wille auf einem Notizzettel
(Un-) Wirksamkeit eines undatierten und unbestimmten Testaments
Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte über die Frage zu befinden, ob ein wirksames Testament auch auf einem undatierten Notizzettel verfasst werden kann, ohne dass der Erbe konkret und namentlich bezeichnet ist.
Dem vom OLG Braunschweig (Az. 1 W 42/17, Beschluss vom 20.03.2019) entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Erblasserin war verheiratet, ihr Ehemann sowie alle näheren Verwandten waren jedoch schon vorverstorben.
Die einzigen noch lebenden Verwandten und damit gesetzliche Erbinnen waren zwei Nichten zweiten Grades.
Die Erblasserin hatte im Jahre 2001 mit ihrem seinerzeit noch lebenden Ehemann ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Im Testament war allerdings nicht geregelt worden, wer Erbe des zweitversterbenden Ehegatten werden sollte.
Nach dem nunmehrigen Tod der Erblasserin legte eine der beiden Nichten dem Nachlassgericht einen kleinen Notizzettel ohne Datum vor, der folgende handschriftliche und unterschriebene Erklärung enthielt:
„Wenn sich für mich einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt, der bekommt mein Haus und alles was ich habe.“
Die Nichte behauptete, dieser Zettel sei von der Erblasserin geschrieben worden. Sie behauptete weiter, dass sie sich um ihre Tante gekümmert und diese betreut und versorgt habe und beantragte daher, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist.
In der Entscheidung stellt das Gericht zunächst einmal klar, dass ein wirksames Testament grundsätzlich auch auf einem Notizzettel, einer Papierserviette oder einem Bierdeckel geschrieben werden könne. Aus der handgeschriebenen und unterzeichneten Erklärung müsse sich nach Auffassung des Gerichts dann aber zweifellos ergeben, dass der Verfasser auch den ernsthaften Willen hatte, ein wirksames Testament zu errichten. Ob und inwieweit die Erblasserin in dem zu entscheidenden Fall einen solchen Testierwillen gehabt habe oder nicht, bedurfte nach Auffassung des Gerichts aber keiner abschließenden Entscheidung, weil jedenfalls der Notizzettel nicht datiert war. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss ein Testament zwar nicht zwingend datiert sein, insoweit handelt es sich lediglich um eine Sollvorschrift. Gibt es wie vorliegend aber mehrere Testamente und kann aus den äußeren Umständen nicht zweifelsfrei ermittelt werden, welches das neuere und damit wirksame Testament ist, ist das nicht datierte Testament im Zweifel unwirksam.
Vorliegend war für das Gericht nicht mit Sicherheit feststellbar, ob die Erblasserin den Notizzettel verfasst hatte, bevor oder nachdem sie im Jahre 2001 das gemeinschaftliche Testament mit ihrem Ehemann errichtet hatte.
Nach Auffassung des Gerichts ist aber auch die Formulierung „wer für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt“ nicht hinreichend bestimmt, so dass das Testament jedenfalls auch schon deswegen unwirksam ist. Grundsätzlich müsse die bedachte Person zwar nicht namentlich genannt sein, aber sie müsse durch das Testament und die äußeren Umstände so genau beschrieben werden und individualisiert werden können, dass sie von Dritten zuverlässig benannt werden könne. Dies war nach Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig vorliegend nicht der Fall. Schon das Wort „aufpassen“ könne sowohl das bloße Achtgeben als auch das aktive Helfen im Alltag umfassen, worunter grundsätzlich einzelne Personen aber auch mehrere fallen könnten. Dies könnten beispielsweise Nachbarn gewesen sein, die ab und zu bei der Erblasserin nach dem Rechten geschaut oder sich nach dem Wohlergehen erkundigt haben, oder aber Bekannte sein, die der Erblasserin beim Ausfüllen von Formularen geholfen haben.
Im Ergebnis sei also nicht eindeutig, dass die Erblasserin diejenige Nichte zu ihrer Erbin einsetzen wollte, der sie zu Lebzeiten auch eine Vorsorgevollmacht erteilt hatte, weil unabhängig von einem schon zweifelhaften Testierwillen und unabhängig von der fehlenden Datierung jedenfalls die zur Erbin eingesetzte Person nicht so konkret und hinreichend bezeichnet ist, dass sie ohne Weiteres feststellbar wäre. Aus den vorgenannten Gründen erachtete das Oberlandesgericht Braunschweig das Testament für nichtig und unwirksam mit der Folge, dass die beiden Nichten der Erblasserin gesetzliche Erbinnen zu gleichen Teilen geworden sind.
Quelle: Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten e.V.
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